von
Heide Witte, 26. Februar 2013
Wenn viele
Privatpersonen mit kleinen Geldsummen ein Projekt unterstützen, nennt sich das
„Crowdfunding“. Die Finanzierungsmethode liegt im Trend, denn die Banken sind
knauserig. Doch das Konzept ist uralt: Ohne Crowdfunding würde auch die
Freiheitsstatue nicht in New York stehen. Heute nutzen Kreative, Handwerker
aber auch Sportvereine die „Schwarmfinanzierung“, um einen Plan Wirklichkeit
werden zu lassen.
Bei Crowdfunding
und Crowdinvesting handelt es sich um eine „Alles-oder-Nichts-Finanzierung“
über spezielle Online-Plattformen. Jeder, der eine Projektidee hat und Geld für
deren Umsetzung benötigt, kann sein Vorhaben samt benötigter Summe darauf
kostenlos präsentieren. Nun sind die Community-Mitglieder dran: Sie
entscheiden, ob und mit welcher Summe sie sich finanziell daran beteiligen
wollen. Sammelt der Projektinitiator das Geld in einem festgelegten Zeitrahmen
ein, kann´s losgehen.
Beim Crowdfunding
erhalten die Mäzene ein „Dankeschön“ in Form einer Prämie - im Gegensatz zum Crowdlending.
Diese Dankeschöns sind meist gestaffelt nach der Höhe der Spendensumme. Das
können Kinokarten sein oder sogar die Aufnahme in den Abspann eines
mitfinanzierten Films, vorab ausgelieferte CDs eines Musikers oder
handsignierte Produkte, an deren Produktion der Spender beteiligt war.
Beim Crowdinvesting
werden die Geldgeber zu Investoren und/oder am Gewinn beteiligt. Für beide
Spielarten gilt: Scheitert ein Vorhaben mangels Zuspruch – im Facebook-Deutsch:
"Likes“ -, so fließt auch kein Geld. Und die Lektion für den
Projektinitiator: Geschäftsidee und/oder Präsentation sind durchgefallen,
beziehungsweise müssen optimiert werden.
Populär wurde die
Methode mit dem Erfolg der Plattform
kickstarter.com, die Anfang 2009 in den USA online ging. In Deutschland
starteten die ersten Crowdfunding-Plattformen in 2010. Zielgruppe waren in
erster Linie Kreative wie Musiker und Filmemacher. Heute gibt es
Schwarmfinanzierungsplattformen jeder Couleur. So sammelte die
Kindersportschule (KiSS) des SSV Ulm 1000 Euro auf fundster.de ein, um
anlässlich des 10jährigen Jubiläums ein Kicker-Turnier für Kinder feiern zu
können. Auf VisionBakery mit
Sitz in Leipzig liefen sehr erfolgreich Projekte mit Lokalkolorit: Unter
anderem mobilisierten die Filmemacher von „20 Jahre Destillery“ ihre Fans und
sammelten über 14 000 Euro ein. Veranstalter, DJs und Gäste kommen in der
Dokumentation über den legendären Leipziger Techno-Club zu Wort. Bislang noch
ohne erfolgreich abgeschlossenes Projekt – weil erst vor Kurzem am Markt -
präsentiert sich die „Krautreporter“-Plattform.
Auf ihr suchen Journalisten Geldgeber, um Artikel schreiben zu können, für die
chronisch klamme Verlage kein Budget mehr haben.
Eine deutsche
Crowdfunding-Plattform der ersten Stunde dagegen ist Startnext. Das Unternehmen begrüßt seine
Besucher auf der Site mit dem markigen Spruch: „Crowdfunding ist das einzig
wirklich Intelligente, was das Web 2.0 hervorbrachte. Unterstützung dieser Art
hilft den Ideengebern und der ganzen Gesellschaft“. Dabei gab es Crowdfunding auch
schon lange vor dem Web 2.0. Denn erst als Joseph Pulitzer, Herausgeber der
Zeitung New York World, 1885 zu einer Spendenkampagne aufrief, kamen die
100.000 Dollar zusammen, die zur Fertigstellung des Sockels der Freiheitsstatue
in New York fehlten. Sein Dankeschön damals an die Geldgeber: Der Name jedes
Spenders wurde veröffentlicht – und war der gespendete Geldbetrag noch so
klein. In fünf Monaten kamen so 102 0000 Dollar zusammen, gespendet von 120 000
Menschen. 80 Prozent der Gesamtsumme setzten sich also aus Spenden von weniger
als einem Dollar zusammen. (Quelle: Wikipedia).
Die Plattform
Startnext startete im September 2010. Auf ihr können Künstler, Kreative und
Erfinder ihre Projektideen über die Online-Community finanzieren. Bis Januar
2013 wurden bereits mehr als 2,5 Millionen Euro eingesammelt und rund 530
Projekte erfolgreich finanziert. Darunter beispielsweise ein
Hartz-IV-Möbelbuch: ein Do-it-yourself-Handbuch mit Bauanleitungen für Möbel
und Einrichtungstipps für kleine Wohnungen. Deutlich an diesem Beispiel wird
auch, wie social-media-affin diese Art der Finanzierung ist: Denn via Facebook
konnte die Crowd über den Inhalt des Buches mitbestimmen.
Die Grenzen
zwischen Crowdfunding- und Crowdinvesting-Plattformen verschwimmen allmählich,
und so ermöglicht Startnext seit Anfang des Jahres auch Crowdinvesting. Als
erstes Projekt dieser Finanzierungsvariante ging „Fairnopoly – Ein fairer
Online-Marktplatz“ an den Start. Die Gründer haben sich ein großes Ziel
gesetzt: Sie wollen eBay und Amazon herausfordern und ein Unternehmen aufbauen,
das konsequent fair handelt. Deshalb haben sie sich für das
Genossenschaftsmodell entschieden. Für das Handeln auf der Plattform erhalten
Nutzer automatisch Anteilspunkte, die sie zur Mitverfügung darüber berechtigen,
wohin ein Teil der Gewinne gespendet wird. Für den Anfang benötigen die Gründer
mindestens 50 000 Euro. „Einen richtig optimalen Start und ein schnelleres
Wachstum erlaubt uns jedoch nur unser Crowdfunding-Ziel von 100.000 Euro.“ Für
Beiträge ab 50 Euro werden Genossenschaftsanteile ausgegeben. Maximal können
Anteile bis 10 000 Euro erworben werden. „Großinvestoren sind unerwünscht“.
Crowdinvesting-Plattformen
für die verschiedensten Zielgruppen schießen wie Pilze aus dem Boden. So sucht
ein traditionelles Familienunternehmen auf United Equity Investoren und
verspricht im Gegenzug beispielsweise Rabatte beim Einbau eines Kaminofens. Und
wer ohne eigenes Dach, auf dem sich eine Solaranlage installieren ließe, in die
Energiewende investieren will, kann das auf Greenvesting tun. Außerdem: Mit nur 250
Euro kann man sich auf kapitalfreunde.de
an einer Immobilie in der krisensicheren Frankfurter Innenstadt beteiligen.
Ein
Crowdinvesting-Player der ersten Stunde ist Seedmatch
mit Sitz in Dresden. Schlagzeilen machte schon zwei Monate nach Gründung im
August 2011. Denn im Oktober 2011 konnte man die erste erfolgreiche
Finanzierung bekannt geben: Die Gründer des Online-Shops Cosmopol hatten per
Crowdinvesting das nötige Startkapital erhalten. Im Sommer 2012 dann ein neuer
Rekord: Über die Plattform machten Investoren innerhalb von nur 172 Stunden die
damals maximal möglichen 100 000 Euro für das Start-up Honestly locker. Nun
will Seedmatch eine neue Bestmarke in der deutschen Schwarmfinanzierung setzen
und 500 000 Euro für Honestly von Kleinstinvestoren einsammeln. „Eine so hohe
Summe wurde in Europa noch nie über Crowdfunding zusammengetragen“, teilt
Seedmatch mit. Denn bislang wurde bei Crowdinvesting die magische Grenze von
100 000 Dollar eingehalten. Ein Grund: Bei höheren Beträgen müssen Firmen ein
Verkaufsprospekt veröffentlichen (Prospektpflicht) – und das kann schon mal mit
einigen Tausend Euro zu Buche schlagen.
Die Plattformen
selbst finanzieren sich über eine Vermittlungsgebühr. Sie hängt meist von der
Höhe der eingesammelten Summe beziehungsweise von der Höhe des Investments ab
und beträgt zwischen drei und zehn Prozent plus Transaktionsgebühren. Auch die
Buchung von Premium-Paketen mit spezieller Beratung ist bei einigen Anbietern –
gegen Aufpreis - möglich.
Banken sehen die
neuen Finanzierungsarten bereits als Bedrohung aus dem Netz, wie eine Umfrage
der Beratungsfirma Steria Mummert
Consulting ergab. Denn die Crowdfunding-Plattformen nagen auch am
Kerngeschäft von Banken. Kinofilme wie „Iron Sky“ und „Stromberg“ haben einen
erheblichen Teil ihres Budgets so aufgebracht. Derzeit sind dies noch
Nischenangebote, so Steria Mummert. In Zukunft könnten die Banken aber auch
hier den Anschluss verlieren: 36 Prozent der befragten Entscheider sehen
laut der Studie Social Media und Crowdfunding-Plattformen als Wettbewerbsrisiko
an. Unter den Sparkassen seien es sogar 51 Prozent.
Es gibt also
Handlungsbedarf bei den Banken – aber auch Alternativen zur Crowdfinanzierung.
Denn Gründer oder Firmen, die bei Kleinkrediten von ein paar Tausend Euro der
Schwarmfinanzierung misstrauen, allerdings von der Hausbank auch kein Geld
bekommen, können seit 2010 den Mikrokreditfondsder
Bundesregierung in Anspruch nehmen. Aufgelegt wurde er für kleine und junge
Unternehmen - unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft. Mit einem Volumen von 100
Millionen Euro soll er Kredite von bis zu 20.000 Euro absichern. Dabei gibt es
keine Kredituntergrenze. Die Laufzeit beträgt maximal drei Jahre. Der Zinssatz
wird derzeit mit 8,9 Prozent p. a. beziffert. Vergeben werden die Kredite
von der GLS Bank. Die Kreditbetreuung – vom Erstgespräch bis zur Rückzahlung –
erfolgt dann durch ein Mikrofinanzinstitut nach Wahl und Wohnort. Eine
Besonderheit: Als Sicherheiten dienen den Mikrofinanzinstituten in erster Linie
Referenzen aus dem persönlichen und geschäftlichen Umfeld der
Kreditnehmer/innen, oft unterlegt durch kleine Bürgschaften. Hierdurch soll
eine Unterstützung aus dem sozialen Umfeld eines Unternehmens im Krisenfall
gewährleistet werden. Dabei komme es weniger auf die Bürgschaftsbeträge sondern
mehr auf die Anzahl der Bürgschaften an. Für Arnaud Yone, geboren in Kamerun
und wohnhaft im bayrischen Traunstein - war das die Lösung. Er hat in
Traunstein im Chiemgau mit seiner Afrika-Bar einen multikulturellen Treffpunkt
geschaffen. Ohne Mikrokredit wäre es für ihn „sehr schwierig geworden, das Geld
für eine professionelle Musikanlage aufzutreiben. Ich hab am Anfang nie
gedacht, dass das so schnell klappt.“ Und Sylvia Höhentiger hat sich dank
Mikrokredit selbstständig gemacht: Sie wurde die erste zertifizierte
Solaranlagenreinigerin in Südbayern. Ihren Kredit von 3000 Euro investierte sie
in die nötigen Reinigungsgeräte für ihren Job. Herkömmliche Banken hätten „ihre
Vision“ nicht verstanden und ihr das nötige Geld zur Umsetzung der Idee
verweigert, da ist sie sich sicher. Doch mit dem Mikrokredit klappte das „ohne
viel Trara“.
erstmals veröffentlicht auf MEINE FIRMA & ICH