Kapitalbeschaffung mit Crowdinvesting
von Wilko Döll, FORUM - das Wirtschaftsmagazin für Ostbrandenburg
Junges Unternehmen holt sich Geld für die Firmenerweiterung direkt aus dem Netz
„Als junger
Firmengründer bin ich natürlich in der Start-up-Szene unterwegs, besuche
Gründermessen, bekomme regelmäßig Newsletter und bin so auch auf Crowdinvesting
gestoßen“, erzählt Rod Schmid. Der 36-jährige ist in Neuenhagen bei Berlin
Geschäftsführer der livekritik Gesellschaft für Kommunikation und Kultur mbH.
Sein Unternehmen betreibt das Internetportal livekritik.de. Während andere
Internetportale Strompreise, Hotels, Flugtickets oder Technikprodukte bewerten
und damit Kunden bei der Kaufentscheidung helfen, bietet livekritik.de diesen
Service im Bereich der Kulturveranstaltungen. Das Spektrum reicht dabei von der
Lesung, über Kabarett, Rock und Pop bis zur Klassik. „Mit unseren Kritiken
sagen wir dem Internetnutzer, ob es sich zum Beispiel lohnt, für viel Geld eine
bestimmte Opernaufführung zu besuchen oder er für weniger Geld in einem anderen
Haus die gleiche Oper in einer besseren Aufführung sehen und hören kann,“
erklärt Rod Schmid. Im vergangenen Jahr ging das Portal ins Netz. Inzwischen
kümmern sich 15 feste und freie Mitarbeiter um die inhaltliche und technische
Betreuung des Internetportals. „Das Publikum hat unser Portal angenommen, ich
bin sehr zufrieden mit unserem Start.“
Trotzdem benötigt
livekritik.de weiteres Geld für den Ausbau des Portals. „Crowdinvesting ist
dafür ein sehr guter Weg“, betont der Geschäftsführer. Mit dieser Methode
arbeiten in den USA schon seit Jahren viele Start-up-Unternehmen. In
Deutschland ist Crowdinvesting außerhalb der Start-up-Szene nahezu unbekannt.
Beim Crowdinvesting beteiligen sich Internetnutzer mit teilweise sehr kleinen
Beträgen an einem Unternehmen. Die Form der Finanzierung ist mit einem
Fischschwarm vergleichbar. Der einzelne Fisch ist klein und schwach, der ganze
Schwarm aber bringt eine große Masse auf die Waage.
Mehrere Anbieter für Crowdinvesting
In der
Start-up-Szene gibt es gleich mehrere Anbieter, die sich um die Organisation
des Crowdinvestings kümmern. Rod Schmid hat sich für den Berliner Anbieter
Companisto entschieden. Die Abläufe aber sind bei allen Anbietern in etwa
ähnlich. „Zuerst hat Companisto unsere Firma geprüft und deren Wert ermittelt.“
Livekritik.de wurde mit 800.000 Euro bewertet. Anschließend wurden der
Kapitalbedarf errechnet und die Summe für das Crowdinvesting festgelegt.
Livekritik.de kam so auf eine Zielsumme zwischen 25.000 und maximal 100.000
Euro. Diese Summe sammelt Companisto nun über das Internet ein und stellt sie
livekritik.de zur Verfügung. Schon für fünf Euro kann ein Anteil erworben
werden. Mitte Februar waren bereits rund 70.000 Euro eingesammelt. Gut 450
Investoren, in der Szene Companisten genannt, investierten bis dahin in
livekritik.de.
Auf den
Internetseiten von Companisto und livekritik.de lässt sich der Ablauf des
Crowdinvestings genau verfolgen. Dort sind auch die Kommentare der Investoren
zu ihrem finanziellen Engagement und die Höhe des jeweiligen Einsatzes
einsehbar. Die Spanne reicht momentan von fünf bis 15.000 Euro. „Ja, wir haben
Investoren, die ihr Geld nur gewinnbringend anlegen wollen und wir haben viele
Kulturinteressenten, die mit kleinen Beiträgen unsere Idee von diesem
Kulturportal fördern und unterstützen wollen“, freut sich Schmid.
Vor Investment gründlich informieren
Der Weg vom bloßen
Internetnutzer zum Investor oder Companisto ist leicht. Gerade deshalb aber
sollte sich jeder Investor vorher genau informieren, denn Crowdinvesting ist
nicht mit einer Sparbucheinlage vergleichbar. Wer sein Kapital einem
Start-up-Unternehmen anvertraut, ist vom Erfolg der Idee und den wirtschaftlichen
Fähigkeiten des Firmengründers abhängig. Im Extremfall kann ein Investor auch
Teile oder das ganze Kapital verlieren. Die Anbieter von Crowdinvesting
beantworten auf ihren Portalen alle Fragen zu den Bedingungen, dem Ablauf der
Investitionen, den Gewinnbeteiligungen und den Risiken. Erst nach dem Lesen
dieser Hinweise sollte sich der Interessent auf dem Portal des jeweiligen
Anbieters sein Start-up-Unternehmen aussuchen, in das er gern investieren
würde.
Companisto betreut
momentan neun junge Internetfirmen. Livekritik ist eine davon. Auf der
Companisto-Seite gibt es Informationen zu jeder Firma. Wer sich für ein
Investment entscheidet, kann beliebig viele Anteile im Wert von fünf Euro
erwerben. Das Geld wird dann für zehn Jahre der jeweiligen Firma zur Verfügung
gestellt. Der Investor oder Companist wird dann am jährlichen Gewinn beteiligt.
„Wer in unserem Fall 8.000 Euro investieren würde, hätte ein Prozent vom
Unternehmenswert und bekäme somit auch ein Prozent vom jährlichen Gewinn“,
rechnet Rod Schmid vor. In den meisten Start-up-Firmen stellt sich der Gewinn
aber erst einige Jahre nach dem Start ein. Livekritik will 2015 die
Gewinnschwelle überschreiten und dann 2016 erste Gewinne ausschütten. Die
Investoren würden aber auch bei einer Wertsteigerung oder dem Verkauf der Firma
profitieren.
Geld wird in Ausbau des Portals investiert
Natürlich ist
Crowdinvesting nicht frei von Risiken, denn es gibt auch Start-up-Firmen, die
trotz guter Idee, wieder vom Markt verschwunden sind. Andererseits haben auch
Skype, Facebook oder Google sehr klein angefangen und sind heute milliarden
Dollar wert. An solch eine Entwicklung denkt Rod Schmid natürlich noch nicht.
„Wir haben unser Portal jetzt in Berlin etabliert, dehnen uns zurzeit nach
Hamburg aus und wollen demnächst auch Köln und München erobern,“ blickt der
36-Jährige voraus. In Zukunft soll das Portal dann auch den gesamten
deutschsprachigen Raum in Europa mit Kulturkritiken versorgen. Für die
allmähliche Erweiterung und den Ausbau des Portals wird das über Crowdinvesting
eingenommene Geld benötigt. So soll ab April ein Ticketerwerb für bestimmte
Veranstaltungen über das Portal möglich sein. Auch eine App zur Internetseite
wird vorbereitet. „Damit können die Besucher von Kulturveranstaltungen dann schon
in der Pause oder nach der Vorstellung zu uns Kontakt aufnehmen, ihre Kritiken
abgeben und damit alle Kulturfreunde informieren.“