Mittwoch, 13. März 2013

Wenn die Bank nix rausrückt - Der Schwarm hat was übrig

von
Heide Witte, 26. Februar 2013


Wenn viele Privatpersonen mit kleinen Geldsummen ein Projekt unterstützen, nennt sich das „Crowdfunding“. Die Finanzierungsmethode liegt im Trend, denn die Banken sind knauserig. Doch das Konzept ist uralt: Ohne Crowdfunding würde auch die Freiheitsstatue nicht in New York stehen. Heute nutzen Kreative, Handwerker aber auch Sportvereine die „Schwarmfinanzierung“, um einen Plan Wirklichkeit werden zu lassen.

Bei Crowdfunding und Crowdinvesting handelt es sich um eine „Alles-oder-Nichts-Finanzierung“ über spezielle Online-Plattformen. Jeder, der eine Projektidee hat und Geld für deren Umsetzung benötigt, kann sein Vorhaben samt benötigter Summe darauf kostenlos präsentieren. Nun sind die Community-Mitglieder dran: Sie entscheiden, ob und mit welcher Summe sie sich finanziell daran beteiligen wollen. Sammelt der Projektinitiator das Geld in einem festgelegten Zeitrahmen ein, kann´s losgehen.

Beim Crowdfunding erhalten die Mäzene ein „Dankeschön“ in Form einer Prämie - im Gegensatz zum Crowdlending. Diese Dankeschöns sind meist gestaffelt nach der Höhe der Spendensumme. Das können Kinokarten sein oder sogar die Aufnahme in den Abspann eines mitfinanzierten Films, vorab ausgelieferte CDs eines Musikers oder handsignierte Produkte, an deren Produktion der Spender beteiligt war.

Beim Crowdinvesting werden die Geldgeber zu Investoren und/oder am Gewinn beteiligt. Für beide Spielarten gilt: Scheitert ein Vorhaben mangels Zuspruch – im Facebook-Deutsch: "Likes“ -, so fließt auch kein Geld. Und die Lektion für den Projektinitiator: Geschäftsidee und/oder Präsentation sind durchgefallen, beziehungsweise müssen optimiert werden.

Populär wurde die Methode mit dem Erfolg der Plattform kickstarter.com, die Anfang 2009 in den USA online ging. In Deutschland starteten die ersten Crowdfunding-Plattformen in 2010. Zielgruppe waren in erster Linie Kreative wie Musiker und Filmemacher. Heute gibt es Schwarmfinanzierungsplattformen jeder Couleur. So sammelte die Kindersportschule (KiSS) des SSV Ulm 1000 Euro auf fundster.de ein, um anlässlich des 10jährigen Jubiläums ein Kicker-Turnier für Kinder feiern zu können. Auf VisionBakery mit Sitz in Leipzig liefen sehr erfolgreich Projekte mit Lokalkolorit: Unter anderem mobilisierten die Filmemacher von „20 Jahre Destillery“ ihre Fans und sammelten über 14 000 Euro ein. Veranstalter, DJs und Gäste kommen in der Dokumentation über den legendären Leipziger Techno-Club zu Wort. Bislang noch ohne erfolgreich abgeschlossenes Projekt – weil erst vor Kurzem am Markt - präsentiert sich die „Krautreporter“-Plattform. Auf ihr suchen Journalisten Geldgeber, um Artikel schreiben zu können, für die chronisch klamme Verlage kein Budget mehr haben.

Eine deutsche Crowdfunding-Plattform der ersten Stunde dagegen ist Startnext. Das Unternehmen begrüßt seine Besucher auf der Site mit dem markigen Spruch: „Crowdfunding ist das einzig wirklich Intelligente, was das Web 2.0 hervorbrachte. Unterstützung dieser Art hilft den Ideengebern und der ganzen Gesellschaft“. Dabei gab es Crowdfunding auch schon lange vor dem Web 2.0. Denn erst als Joseph Pulitzer, Herausgeber der Zeitung New York World, 1885 zu einer Spendenkampagne aufrief, kamen die 100.000 Dollar zusammen, die zur Fertigstellung des Sockels der Freiheitsstatue in New York fehlten. Sein Dankeschön damals an die Geldgeber: Der Name jedes Spenders wurde veröffentlicht – und war der gespendete Geldbetrag noch so klein. In fünf Monaten kamen so 102 0000 Dollar zusammen, gespendet von 120 000 Menschen. 80 Prozent der Gesamtsumme setzten sich also aus Spenden von weniger als einem Dollar zusammen. (Quelle: Wikipedia).

Die Plattform Startnext startete im September 2010. Auf ihr können Künstler, Kreative und Erfinder ihre Projektideen über die Online-Community finanzieren. Bis Januar 2013 wurden bereits mehr als 2,5 Millionen Euro eingesammelt und rund 530 Projekte erfolgreich finanziert. Darunter beispielsweise ein Hartz-IV-Möbelbuch: ein Do-it-yourself-Handbuch mit Bauanleitungen für Möbel und Einrichtungstipps für kleine Wohnungen. Deutlich an diesem Beispiel wird auch, wie social-media-affin diese Art der Finanzierung ist: Denn via Facebook konnte die Crowd über den Inhalt des Buches mitbestimmen.

Die Grenzen zwischen Crowdfunding- und Crowdinvesting-Plattformen verschwimmen allmählich, und so ermöglicht Startnext seit Anfang des Jahres auch Crowdinvesting. Als erstes Projekt dieser Finanzierungsvariante ging „Fairnopoly – Ein fairer Online-Marktplatz“ an den Start. Die Gründer haben sich ein großes Ziel gesetzt: Sie wollen eBay und Amazon herausfordern und ein Unternehmen aufbauen, das konsequent fair handelt. Deshalb haben sie sich für das Genossenschaftsmodell entschieden. Für das Handeln auf der Plattform erhalten Nutzer automatisch Anteilspunkte, die sie zur Mitverfügung darüber berechtigen, wohin ein Teil der Gewinne gespendet wird. Für den Anfang benötigen die Gründer mindestens 50 000 Euro. „Einen richtig optimalen Start und ein schnelleres Wachstum erlaubt uns jedoch nur unser Crowdfunding-Ziel von 100.000 Euro.“ Für Beiträge ab 50 Euro werden Genossenschaftsanteile ausgegeben. Maximal können Anteile bis 10 000 Euro erworben werden. „Großinvestoren sind unerwünscht“.

Crowdinvesting-Plattformen für die verschiedensten Zielgruppen schießen wie Pilze aus dem Boden. So sucht ein traditionelles Familienunternehmen auf United Equity Investoren und verspricht im Gegenzug beispielsweise Rabatte beim Einbau eines Kaminofens. Und wer ohne eigenes Dach, auf dem sich eine Solaranlage installieren ließe, in die Energiewende investieren will, kann das auf Greenvesting tun. Außerdem: Mit nur 250 Euro kann man sich auf kapitalfreunde.de an einer Immobilie in der krisensicheren Frankfurter Innenstadt beteiligen.

Ein Crowdinvesting-Player der ersten Stunde ist Seedmatch mit Sitz in Dresden. Schlagzeilen machte schon zwei Monate nach Gründung im August 2011. Denn im Oktober 2011 konnte man die erste erfolgreiche Finanzierung bekannt geben: Die Gründer des Online-Shops Cosmopol hatten per Crowdinvesting das nötige Startkapital erhalten. Im Sommer 2012 dann ein neuer Rekord: Über die Plattform machten Investoren innerhalb von nur 172 Stunden die damals maximal möglichen 100 000 Euro für das Start-up Honestly locker. Nun will Seedmatch eine neue Bestmarke in der deutschen Schwarmfinanzierung setzen und 500 000 Euro für Honestly von Kleinstinvestoren einsammeln. „Eine so hohe Summe wurde in Europa noch nie über Crowdfunding zusammengetragen“, teilt Seedmatch mit. Denn bislang wurde bei Crowdinvesting die magische Grenze von 100 000 Dollar eingehalten. Ein Grund: Bei höheren Beträgen müssen Firmen ein Verkaufsprospekt veröffentlichen (Prospektpflicht) – und das kann schon mal mit einigen Tausend Euro zu Buche schlagen.

Die Plattformen selbst finanzieren sich über eine Vermittlungsgebühr. Sie hängt meist von der Höhe der eingesammelten Summe beziehungsweise von der Höhe des Investments ab und beträgt zwischen drei und zehn Prozent plus Transaktionsgebühren. Auch die Buchung von Premium-Paketen mit spezieller Beratung ist bei einigen Anbietern – gegen Aufpreis - möglich.

Banken sehen die neuen Finanzierungsarten bereits als Bedrohung aus dem Netz, wie eine Umfrage der Beratungsfirma Steria Mummert Consulting ergab. Denn die Crowdfunding-Plattformen nagen auch am Kerngeschäft von Banken. Kinofilme wie „Iron Sky“ und „Stromberg“ haben einen erheblichen Teil ihres Budgets so aufgebracht. Derzeit sind dies noch Nischenangebote, so Steria Mummert. In Zukunft könnten die Banken aber auch hier den Anschluss verlieren: 36 Prozent der befragten Entscheider sehen laut der Studie Social Media und Crowdfunding-Plattformen als Wettbewerbsrisiko an. Unter den Sparkassen seien es sogar 51 Prozent.

Es gibt also Handlungsbedarf bei den Banken – aber auch Alternativen zur Crowdfinanzierung. Denn Gründer oder Firmen, die bei Kleinkrediten von ein paar Tausend Euro der Schwarmfinanzierung misstrauen, allerdings von der Hausbank auch kein Geld bekommen, können seit 2010 den Mikrokreditfondsder Bundesregierung in Anspruch nehmen. Aufgelegt wurde er für kleine und junge Unternehmen - unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft. Mit einem Volumen von 100 Millionen Euro soll er Kredite von bis zu 20.000 Euro absichern. Dabei gibt es keine Kredituntergrenze. Die Laufzeit beträgt maximal drei Jahre. Der Zinssatz wird derzeit mit 8,9 Prozent p. a. beziffert. Vergeben werden die Kredite von der GLS Bank. Die Kreditbetreuung – vom Erstgespräch bis zur Rückzahlung – erfolgt dann durch ein Mikrofinanzinstitut nach Wahl und Wohnort. Eine Besonderheit: Als Sicherheiten dienen den Mikrofinanzinstituten in erster Linie Referenzen aus dem persönlichen und geschäftlichen Umfeld der Kreditnehmer/innen, oft unterlegt durch kleine Bürgschaften. Hierdurch soll eine Unterstützung aus dem sozialen Umfeld eines Unternehmens im Krisenfall gewährleistet werden. Dabei komme es weniger auf die Bürgschaftsbeträge sondern mehr auf die Anzahl der Bürgschaften an. Für Arnaud Yone, geboren in Kamerun und wohnhaft im bayrischen Traunstein - war das die Lösung. Er hat in Traunstein im Chiemgau mit seiner Afrika-Bar einen multikulturellen Treffpunkt geschaffen. Ohne Mikrokredit wäre es für ihn „sehr schwierig geworden, das Geld für eine professionelle Musikanlage aufzutreiben. Ich hab am Anfang nie gedacht, dass das so schnell klappt.“ Und Sylvia Höhentiger hat sich dank Mikrokredit selbstständig gemacht: Sie wurde die erste zertifizierte Solaranlagenreinigerin in Südbayern. Ihren Kredit von 3000 Euro investierte sie in die nötigen Reinigungsgeräte für ihren Job. Herkömmliche Banken hätten „ihre Vision“ nicht verstanden und ihr das nötige Geld zur Umsetzung der Idee verweigert, da ist sie sich sicher. Doch mit dem Mikrokredit klappte das „ohne viel Trara“.

erstmals veröffentlicht auf MEINE FIRMA & ICH