Montag, 11. März 2013

O-Ton Ostbrandenburg

Kapitalbeschaffung mit Crowdinvesting

von Wilko Döll, FORUM - das Wirtschaftsmagazin für Ostbrandenburg


Junges Unternehmen holt sich Geld für die Firmenerweiterung direkt aus dem Netz
 
„Als junger Firmengründer bin ich natürlich in der Start-up-Szene unterwegs, besuche Gründermessen, bekomme regelmäßig Newsletter und bin so auch auf Crowdinvesting gestoßen“, erzählt Rod Schmid. Der 36-jährige ist in Neuenhagen bei Berlin Geschäftsführer der livekritik Gesellschaft für Kommunikation und Kultur mbH. Sein Unternehmen betreibt das Internetportal livekritik.de. Während andere Internetportale Strompreise, Hotels, Flugtickets oder Technikprodukte bewerten und damit Kunden bei der Kaufentscheidung helfen, bietet livekritik.de diesen Service im Bereich der Kulturveranstaltungen. Das Spektrum reicht dabei von der Lesung, über Kabarett, Rock und Pop bis zur Klassik. „Mit unseren Kritiken sagen wir dem Internetnutzer, ob es sich zum Beispiel lohnt, für viel Geld eine bestimmte Opernaufführung zu besuchen oder er für weniger Geld in einem anderen Haus die gleiche Oper in einer besseren Aufführung sehen und hören kann,“ erklärt Rod Schmid. Im vergangenen Jahr ging das Portal ins Netz. Inzwischen kümmern sich 15 feste und freie Mitarbeiter um die inhaltliche und technische Betreuung des Internetportals. „Das Publikum hat unser Portal angenommen, ich bin sehr zufrieden mit unserem Start.“

Trotzdem benötigt livekritik.de weiteres Geld für den Ausbau des Portals. „Crowdinvesting ist dafür ein sehr guter Weg“, betont der Geschäftsführer. Mit dieser Methode arbeiten in den USA schon seit Jahren viele Start-up-Unternehmen. In Deutschland ist Crowdinvesting außerhalb der Start-up-Szene nahezu unbekannt. Beim Crowdinvesting beteiligen sich Internetnutzer mit teilweise sehr kleinen Beträgen an einem Unternehmen. Die Form der Finanzierung ist mit einem Fischschwarm vergleichbar. Der einzelne Fisch ist klein und schwach, der ganze Schwarm aber bringt eine große Masse auf die Waage.

Mehrere Anbieter für Crowdinvesting


In der Start-up-Szene gibt es gleich mehrere Anbieter, die sich um die Organisation des Crowdinvestings kümmern. Rod Schmid hat sich für den Berliner Anbieter Companisto entschieden. Die Abläufe aber sind bei allen Anbietern in etwa ähnlich. „Zuerst hat Companisto unsere Firma geprüft und deren Wert ermittelt.“ Livekritik.de wurde mit 800.000 Euro bewertet. Anschließend wurden der Kapitalbedarf errechnet und die Summe für das Crowdinvesting festgelegt. Livekritik.de kam so auf eine Zielsumme zwischen 25.000 und maximal 100.000 Euro. Diese Summe sammelt Companisto nun über das Internet ein und stellt sie livekritik.de zur Verfügung. Schon für fünf Euro kann ein Anteil erworben werden. Mitte Februar waren bereits rund 70.000 Euro eingesammelt. Gut 450 Investoren, in der Szene Companisten genannt, investierten bis dahin in livekritik.de.     

Auf den Internetseiten von Companisto und livekritik.de lässt sich der Ablauf des Crowdinvestings genau verfolgen. Dort sind auch die Kommentare der Investoren zu ihrem finanziellen Engagement und die Höhe des jeweiligen Einsatzes einsehbar. Die Spanne reicht momentan von fünf bis 15.000 Euro. „Ja, wir haben Investoren, die ihr Geld nur gewinnbringend anlegen wollen und wir haben viele Kulturinteressenten, die mit kleinen Beiträgen unsere Idee von diesem Kulturportal fördern und unterstützen wollen“, freut sich Schmid.

Vor Investment gründlich informieren


Der Weg vom bloßen Internetnutzer zum Investor oder Companisto ist leicht. Gerade deshalb aber sollte sich jeder Investor vorher genau informieren, denn Crowdinvesting ist nicht mit einer Sparbucheinlage vergleichbar. Wer sein Kapital einem Start-up-Unternehmen anvertraut, ist vom Erfolg der Idee und den wirtschaftlichen Fähigkeiten des Firmengründers abhängig. Im Extremfall kann ein Investor auch Teile oder das ganze Kapital verlieren. Die Anbieter von Crowdinvesting beantworten auf ihren Portalen alle Fragen zu den Bedingungen, dem Ablauf der Investitionen, den Gewinnbeteiligungen und den Risiken. Erst nach dem Lesen dieser Hinweise sollte sich der Interessent auf dem Portal des jeweiligen Anbieters sein Start-up-Unternehmen aussuchen, in das er gern investieren würde.

Companisto betreut momentan neun junge Internetfirmen. Livekritik ist eine davon. Auf der Companisto-Seite gibt es Informationen zu jeder Firma. Wer sich für ein Investment entscheidet, kann beliebig viele Anteile im Wert von fünf Euro erwerben. Das Geld wird dann für zehn Jahre der jeweiligen Firma zur Verfügung gestellt. Der Investor oder Companist wird dann am jährlichen Gewinn beteiligt. „Wer in unserem Fall 8.000 Euro investieren würde, hätte ein Prozent vom Unternehmenswert und bekäme somit auch ein Prozent vom jährlichen Gewinn“, rechnet Rod Schmid vor. In den meisten Start-up-Firmen stellt sich der Gewinn aber erst einige Jahre nach dem Start ein. Livekritik will 2015 die Gewinnschwelle überschreiten und dann 2016 erste Gewinne ausschütten. Die Investoren würden aber auch bei einer Wertsteigerung oder dem Verkauf der Firma profitieren.

Geld wird in Ausbau des Portals investiert


Natürlich ist Crowdinvesting nicht frei von Risiken, denn es gibt auch Start-up-Firmen, die trotz guter Idee, wieder vom Markt verschwunden sind. Andererseits haben auch Skype, Facebook oder Google sehr klein angefangen und sind heute milliarden Dollar wert. An solch eine Entwicklung denkt Rod Schmid natürlich noch nicht. „Wir haben unser Portal jetzt in Berlin etabliert, dehnen uns zurzeit nach Hamburg aus und wollen demnächst auch Köln und München erobern,“ blickt der 36-Jährige voraus. In Zukunft soll das Portal dann auch den gesamten deutschsprachigen Raum in Europa mit Kulturkritiken versorgen. Für die allmähliche Erweiterung und den Ausbau des Portals wird das über Crowdinvesting eingenommene Geld benötigt. So soll ab April ein Ticketerwerb für bestimmte Veranstaltungen über das Portal möglich sein. Auch eine App zur Internetseite wird vorbereitet. „Damit können die Besucher von Kulturveranstaltungen dann schon in der Pause oder nach der Vorstellung zu uns Kontakt aufnehmen, ihre Kritiken abgeben und damit alle Kulturfreunde informieren.“