Samstag, 16. März 2013

Crowdfunding für Literatur im Senegal




 
Sciencestarter ist die erste deutschsprachige Crowdfunding - Plattform für die Wissenschaft. Dort sammelt die Doktorandin Anne M. Schelhorn Geld für eine Forschungsreise in den Senegal. Das kürzlich abgeschlossene Projekt erbrachte 5.440 €, angestrebt waren 5.000 €. Ein schöner Erfolg. Es wurden 46 Fans und 36 Unterstützer mobilisiert.

Anne M. Schelhorn:

Bei meinem Forschungsprojekt geht es um Literatur und Oratur in Westafrika, also um Lieder, Epen und Romane auf Französisch und in afrikanischen Sprachen. Dafür plane ich ab Januar 2013 einen Forschungsaufenthalt in Senegal. Er ist eine wichtige Ergänzung eines 2011 in Mali durchgeführten Forschungsaufenthaltes.

Universität Dakar – herausragender Forschungsstandort in Westafrika


Die Université Cheick Anta Diop ist eines der wichtigsten Forschungszentren in Bezug auf mündliche und schriftliche Literatur in Westafrika. Sowohl an der Faculté des Lettres et Sciences Humaines als auch am Institut Fondamental d’Afrique Noire (IFAN), das seit 1936 existiert, wird dazu geforscht. Die Bibliotheken und Archive verfügen über ein nur dort zugängliches einzigartiges Textmaterial, sowohl z.B. in Form transkribierter Texte als auch in Form von Audiodokumenten. Neben dieser umfangreichen Sammlung an Primärquellen, also literarischen Texten, verfügt die Universität über eine große Anzahl wissenschaftlicher Publikationen in Zeitschriften, Monographien und Manuskripten. Die Recherche in den Bibliotheken und Archiven wird einen entscheidenden Beitrag zum Gelingen des Dissertationsprojektes leisten, sowohl was die Vervollständigung des Textkorpus' angeht, als auch seine Interpretation.

Anne M. Schelhorn, Forschungsreisende
 

Audio- und Videodokumentation oraler Performances


Mündliche Literatur realisiert sich in einer konkreten Situation, in der Erzähler und Adressat direkt anwesend sind, ähnlich wie bei Poetry Slam oder (Improvisations-)Theater. Solche Performances können der Wissenschaft und einem breiten Publikum durch ihre Aufzeichnung zugänglich gemacht werden. Noch ist der Korpus solcher Dokumente allerdings gering. Geplant ist daher vor Ort in Zusammenarbeit mit einem lokalen Filmteam die Produktion solcher Medien, die oftmals von professionellen Erzählern weitergegeben werden, den Griots.

Experteninterviews und afrikanische Wissenssysteme


Der Austausch mit Experten vor Ort stellt einen wichtigen Bestandteil des Aufenthaltes dar. Hier sind Interviews zu den entsprechenden Texten geplant. Karin Barber, Spezialistin für den wissenschaftlichen Umgang mit oraler Literatur, weist in dem kürzlich erschienenen Artikel „Interpreting Texts and Performances“1 darauf hin, daß es noch immer einen eklatanten Mangel einer gründlichen Analyse von Texten unter Beachtung lokaler exegetischer Traditionen gibt: Die mündliche Literatur verfügt über eigene Formen und Institutionen der Interpretation und Auslegung ihrer Texte. Für die Textanalyse ist es daher nicht ausreichend, eine Performance aufzuzeichnen, zu transkribieren und zu übersetzen. Für eine gründliche Bearbeitung des Textes ist der Rückgriff auf Kommentare lokaler Experten Voraussetzung, soll die Interpretation des Textes nicht auf den begrenzten Horizont des einzelnen Wissenschaftlers reduziert sein: „The importance of researching and recording the exegetical tradition cannot be overemphasized. This is where research into texts is most lacking and most needed“ (Barber 2012: 110). Dies ist eine der zentralen Aufgaben des Forschungsaufenthaltes. Ziel ist nicht nur die Vervollständigung des Korpus an Primärtexten, sondern auch ihre Einbettung in den jeweiligen exegetischen Kontext. Dazu wird nicht nur die Arbeit in den genannten Bibliotheken dienen, sondern auch der Austauschprozess einerseits mit Forschern an den einschlägigen Instituten und andererseits mit Experten oraler Literatur wie beispielsweise Griots.

Die Plattform "Sciencestarter" der Initiative "Wissenschaft im Dialog" bietet Wissenschaftlern eine gute Alternative zu öffentlichen Fördergeldern, die in umständlichen und langwierigen Prozeduren vergeben werden.