Mittwoch, 6. März 2013

Anglizismus des Jahres - Crowdfunding



Aktion „Anglizismus des Jahres“





Pressemitteilung





„Crowdfunding“ ist Anglizismus des Jahres 2012



Positiver Beitrag des Englischen

Neue Begriffe für neue gesellschaftliche Phänomene

Deutsche Sprache nicht von Anglizismen bedroht



BERLIN, 4.3.2013. Crowdfunding ist der „Anglizismus des Jahres 2012“. Eine unabhängige Jury um den Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch wählte das Wort aus rund sechzig Vorschlägen. „Das Wort füllt eine Lücke im deutschen Wortschatz, die durch das Aufkommen einer neuen Art der netzgestützten Kapitalbeschaffung entstanden ist. Es hat sich im Laufe des letzten Jahres im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert und gut in die Struktur des Deutschen eingefügt“, begründete die Jury ihre Entscheidung.

Mit der Wahl zum „Anglizismus des Jahres“ wird seit 2010 der positive Beitrag des Englischen zur Entwicklung des deutschen Wortschatzes gewürdigt. „Im deutschen Sprachraum ist die Vorstellung sehr weit verbreitet, dass Lehnwörter – vor allem, wenn sie aus dem Englischen stammen – den Fortbestand der deutschen Sprache bedrohen“, sagt Stefanowitsch. „Die Entlehnung von Wörtern ist aber ein natürlicher Prozess, mit dem Sprachgemeinschaften schon immer den Wortschatz ihrer Sprachen erweitert haben, ohne dass diese Schaden genommen hätten.“ Dass das Englische derzeit eine intensiv genutzte Quelle für Lehnwörter sei, so Stefanowitsch weiter, liege an seiner Rolle als internationale Verkehrssprache.

Um Anglizismus des Jahres zu werden, muss ein englisches Lehnwort eine Lücke im Wortschatz füllen, über eine breite Akzeptanz im Sprachgebrauch verfügen und gut in die lautliche und grammatische Struktur des Deutschen integriert sein. Das diesjährige Siegerwort Crowdfunding überzeugte in allen drei Kategorien. Es bezeichnet eine Methode der Kapitalbeschaffung, bei der viele Menschen über eine Internetplattform jeweils eine relativ kleine Summe beisteuern, um ein Projekt oder Produkt zu finanzieren. „Das Wort hat sich im vergangenen Jahr erstmals auf breiter Ebene im Sprachgebrauch durchgesetzt und kann sich dort an das bereits etablierte Crowdsourcing anlehnen“, sagt Jurymitglied Kristin Kopf. Dass es sich gut in die deutsche Sprache integriert habe, so Stefanowitsch, zeige sich außerdem daran, dass es ein Verb, crowdfunden, hervorgebracht habe. „Hier bleibt abzuwarten, welches Partizip sich durchsetzt – gecrowdfundet oder crowdgefundet.“

Auf den zweiten Platz setzte die Jury das Wort Hipster, ein älteres Lehnwort, das aber seit einigen Jahren einen Bedeutungswandel hin zu einer abfälligen Bezeichnung für eine urbane, sich dem kulturellen Mainstream verweigernde Jugendkultur erfahren hat. „Welche Eigenschaften den Hipster eigentlich ausmachen, bleibt dabei aber sehr schwammig“, kommentiert Jurymitglied Susanne Flach. „Aber eins ist klar: Hipster sind immer nur die anderen.“

Auf den dritten Platz wählte die Jury mit dem Substantiv Fracking ein weiteres klassisches Lehnwort, das gemeinsam mit einem neuen Verfahren zur Gas- und Ölgewinnung in die deutsche Sprache übernommen wurde und dort mit fracken ebenfalls ein eigenes Verb hervorgebracht hat. „Die politische Kontroverse um diese Technik hat für eine schnelle Verbreitung besonders in den Medien gesorgt“, sagt Jurymitglied Kilian Evang. „Mit Blick auf das, was Fracking für die Umwelt wohl bedeutet, hoffe ich allerdings, dass die Relevanz dieses Wortes schnell und dauerhaft wieder abnehmen wird.“

In der parallel zur Juryentscheidung durchgeführten Publikumsabstimmung setzte sich ebenfalls das Wort Crowdfunding durch, gefolgt von gendern, das im allgemeinen Sprachgebrauch die Verwendung geschlechtergerechter Sprache bezeichnet – häufig mit einem kritischen Unterton. „Diese Bedeutung ist relativ neu“, sagt Kopf. „In der Fachsprache bedeutet es eigentlich die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlechterunterschieden oder die politische Rücksichtnahme auf diese.“ Auf dem dritten Platz landete in der Publikumsabstimmung ebenfalls Fracking.

„Obwohl das Englische auch 2012 eine wichtige Quelle für die Erweiterung des deutschen Wortschatzes war, hielt sich der Einfluss, wie auch in den Vorjahren, doch in Grenzen“, stellt die Jury fest. Von den gut 60 Vorschlägen waren die wenigsten neu genug oder im allgemeinen Sprachgebrauch ausreichend stark verankert, um als aktuelles Lehnwort zu gelten.

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Der Wettbewerb „Anglizismus des Jahres“ fand erstmals 2010/11 statt. Damals gewann das Wort leaken als Bezeichnung für das gezielte anonyme Veröffentlichen geheimer Informationen zum Wohle der Öffentlichkeit. Im letzten Jahr gewann Shitstorm als Bezeichnung für eine Welle der Entrüstung in den sozialen Medien.



Anatol Stefanowitsch ist Professor für anglistische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin und Autor beim populärwissenschaftlichen „Sprachlog“. Mitglieder der Jury waren die Anglistin Susanne Flach (Freie Universität Berlin, Autorin beim Sprachlog), die Germanistin Kristin Kopf (Universität Mainz, Autorin beim Sprachlog) und der Computerlinguist Kilian Evang (Universität Groningen, Autor des „Texttheater“).



Kontakt



Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch

(0170) 665 63 55

a.stefanowitsch@sprachlog.de